Rezensionen

12-2017 Musikabende in der A.-Herzen-Bibliothek, Kirov


Übersetzung aus der Zeitung „Vjatskij nabljudatel’“ („Vjatkaer Beobachter“), Nr. 4 vom 26.01.2018, S. 15

 

Im Zeichen von Nielsen

 

So bezeichnete den Beginn der neuen Konzertsaison E. Kiljakova, von der die "Musikabende in der A.-Herzen-Bibliothek" konferiert werden. Und das stimmt auch: Innerhalb von drei Monaten sind hier drei Schüler des herausragenden Pianisten, Pädagogen und Professors an der Hochschule für Musik in Sankt Petersburg Vladimir Nielsen aufgetreten: Je einer aus Vjatka, Argentinien und Deutschland.

 

Das musikalische Werden von Sofia Khorobrykh, die aus der alten Stadt Würzburg angereist ist, hatte hier, in Vjatka, begonnen. In ihrem ersten Unterrichtsjahr an der hiesigen Musikfachschule (heute Musikcollege) reagierte das Publikum auf ihren Auftritt mit dem "Navaždenie" ("Suggestion Diabolique") von Prokofiev mit einer unerhörten Ovation – es schien, die Decke des neu erbauten Konzertsaals würde einstürzen. Mit einer solchen Energetik ein derart schwieriges virtuoses Stück zu spielen war tatsächlich außergewöhnlich.

 

Im vierten Unterrichtsjahr erstaunte Sofia alle erneut mit ihrer Interpretation der 6. Sonate von demselben Prokofiev, die in unserer Stadt somit zum ersten Mal vollständig erklang. Dies wurde zu einem Ereignis und überzeugte selbst die skeptisch gestimmten Kollegen unter den Pädagogen: "Ich kehre mal zu meinen Kochtöpfen zurück", meinte eine von ihnen. Bei ihrer Abschlussprüfung spielte S. Khorobrykh unter anderem nicht weniger schwierige Werke: Die "Chromatische Fantasie und Fuge" von Bach und die Sonate Nr. 32 von Beethoven.

 

Sie absolvierte danach die Musikhochschule in Sankt Petersburg und erlangte die Berechtigung, in Deutschland weiter zu studieren und die Kunst des Spiels auf den alten Tasteninstrumenten wie Cembalo und Hammerklavier in der Klasse einer Schülers von Gustav Leonhard zu beherrschen. Doch auch das war nicht alles: Sofias Zielstrebigkeit und Wissbegierde machten es für sie möglich, die Universität Würzburg als Musikologin mit dem akademischen Grad "Magistra Artium" abzuschließen und ein Theologiestudium in Paris aufzunehmen.

 

Natürlich hat diese Vielseitigkeit ihre Persönlichkeit geprägt und machte sich bei den Auftritten in den Sälen der A.-Puschkin-Bibliothek und der A.-Herzen-Bibliothek bemerkbar. Die Programmzusammensetzung war ungewöhnlich: Beim ersten Konzert erklangen langsame Sätze aus Sonaten von Mozart, beim zweiten hingegen kamen Werke von Bach, Mozart, Beethoven, Schubert zusammen, ergänzt durch die englische Volksballade "Scarborough Fair", eine Bearbeitung von Mancinis "Moon River" und Sofias eigenes Interludium.

 

Trotz großer Buntheit und ohne übliche chronologische Anordnung der Werke nach Manier von Fazıl Say erwies sich das Konzertprogramm als gut aufeinander abgestimmt und überzeugend. Bei den beiden Abenden waren die Säle voll, wobei das zweite Konzert mit seinem abwechslungsreichen Programm und auch dank der hervorragenden Akustik im Saal der A.-Herzen-Bibliothek ein besonderer Erfolg war.

 

Die Kultur der Pianistin zeigt sich in einer edlen Tongebung, in der Klarheit der musikalischen Faktur, in der Beherrschung der Polyphonie sowie im Verständnis der Musiksprache. Ungewohnt an der Vortragsmanier sind für uns die für die westliche Kultur charakteristische deklamatorische Freiheit sowie das Fehlen von für die russische Tradition typischen Klischees (und seien diese auch niveauvoll!). Etwas stutzig machten das Tempo und der etwas abgemilderte Rhythmus in der "Mondscheinsonate", was allerdings zum Gesamtkonzept des Programms gut passte, sowie das feurige Temperament, das mitunter Barrieren wegfegte; wünschenswert wären auch längere Linien in der Phrasierung. Doch all das minderte keineswegs den schönen Eindruck vom Konzert und von einer natürlichen Vortragsweise. Nach 15 Jahren Konzertpause befindet sich die Pianistin in einer guten Form.

 

Anfang August gibt Sofia Khorobrykh ein Konzert in Sankt Petersburg und ein weiteres im Orgel- und Kammermusiksaal der St.-Alexander-Kirche in Kirov. Es werden Spinett- und Klavierwerke vorgespielt.

 

Vladimir Schaposchnikov,

Mitglied im Sankt Petersburger Verband der Konzerttätigen

20.11.2016 Benefizkonzert für Afrika, Würzburg